Haus Nummer 125 - Füllenhof - Brokstraße 14

Schon früh verfügten die Paderborner Bischöfe über eine ansehnliche Zahl von Tafelgütern. die ihren Anteil an der Hofhaltungin Paderborn beizusteuern hatten. Aus wessen Eigentum sie ursprünglich stammten und wer sie der Paderborner Kirche übereignete, ist ungewiß. Fest steht, daß Karl der Große im Verlaufe seiner Kriegszüge manchen Hof in Besitz nahm, weil der Eigentümer der neuen Glaubensbotschaft Widerstand leistete. Diese Höfe gab der Frankenherrscher nach Gunst und Gnade an bewährte Waffengefährten oder an Träger hoher kirchlicher Ämter. Mancher freie Besitzer stellte sich auch freiwillig mit Hab und Gut in den Schutz der Kirche und blieb fortan nur Lehnsnehmer auf dem bisherigen Eigentum.

Auch der Schwaneyer Füllenhof zählt zu den alten Tafelgütern der Paderborner Bischöfe, die diese ursprünglich durch einen Villikus (Meier) verwalten ließen. Schon vor 1300 genoß dieser Hof eine gewisse Vorrangstellung unter den benachbarten Hofsiedlungen. und der im 13. und 14. Jahrhundert üblichen Zersplitterung vieler größerer Höfe (Curien) scheint der Füllenhof glücklich entgangen zu sein. Während die kleineren Meierhöfe im heutigen Dorfe aus der gesprengten Villikation des Stiftes Heerse und aus Grund und Boden der damals in der Gemarkung eingegangenen Siedlungen entstanden, behielt der Füllenhof sein altes Areal, das etwa 5 Hufen (:150 Morgen) umfaßte.

Nach den meist üblen Erfahrungen mit den Meiern alten Stils, die mehr auf ihr eigenes als auf das Wohl ihres Grundherrn bedacht waren, gingen Kirche, Klöster, Stifte und Adel schon früh dazu über, den ehemals geschlossenen Besitz in kleinere Teile aufzugliedern und diese an Stelle der früheren Meier an deren Litonen oder an neue Kolonen zu vergeben. Erst diese Maßnahme bedingte hier wie auch anderswo die Ausweitung des Bauernstandes.

Im 14. Jahrhundert gab es in Schwaney kaum ein festes und ersprießliches Verhältnis der hiesigen Bauern zu den beiden Grundherren, dem Bischofe und Stift Heerse, die beide die mit Land belehnten Hörigen jederzeit entsetzen konnten. Das hatte zur Folge, daß man bald zum Modus der Zeitpacht überging, die gegen fest umrissene Leistungen und Abgaben auf 9, auch 12 oder 20 Jahre begrenzt blieb. Erst recht selten fand sich im 15. Jahrhundert das Verhältnis der Erbpacht. Meierbriefe entwickelten sich schließlich zu Anfang des 16. Jahrhunderts.

Die erste Vermeierung des Füllenhofes in Erbpacht erfolgte 1527 durch Bischof Erich, Herzog von Braunschweig (1508-1532). Der Meierbrief ist im Original erhalten, er liegt im Staatsarchiv Münster 1 und soll im Wortlaute folgen: "Wy Erich von Gottes gnaden Bischop to oßenbrügge und Paderborn, Hertzoge to Brunßwich bekennen und doen kund vor Unß und Unse Nakomlinge, dath wy uth besonderen gnaden, Bertolden Neuel (Nevel) und änniken Siner rechten hueßfrowen und öhren Eruen (Erben) Unsern frien Scheiperhoffen to Schwanney meth siner tobehörung gelegen, unverhindert männigliches noh ören gelegen (nach ihrem Belieben) den to bruken meth der frien Scheperdrifft im Eelde, holte, water und weide, Im allermahte (genau wie) die Westphalinge den Scheper eres houes (Hofes) dasulbest gefrieget hebben to bewohnen, to dem (zudem) mach he (er) oick (auch) umb Schwanney einen hasen griepen und der water alß to Schwanney gehörig einen fisch fangen, und hebben oick des gnaden forthmer (ferner) gedann, alß darmedde he denstes und Bedde soll frieh sitten, utbeschaden (ausgenommen) folge und Landstüer, de willen Wy uns hierin vorbeholden,
sonder gnaden hir entgegen soll Er Uns ider (jeder) tidt und alle Jahr up Michaelis to tinße 5 gülden entrichten, und Unsen Rentmester to den Dringenberge bethalen und Iifferen, und aldiweil Er sich nith entsettet, Sollen und wollen Wy und Unse Nakomlinge öher auck siner Erven (Erben) dies frien sittes hueses, und Schepery vorgenampt nith ensetten, besondern wan einer geloffte dath nith lenger süluer (selbst) to buwen soll to siner und siner Eruen willen staen, dath hueß nah dem werde, und to sinen gefallen to verkaupen, doch vorbehalden Unse gerechtigkeit und tinses, wer eht ouck dath Er Jenige (einiges) Land oder wiese, Kempe tom Scheperhoffe brechte in wat wege dath geschähe, dauon soll Uns die pacht gehören, glieck den anderen Inwohner to Schwanney gewöntlick. Argelist hierin gantz uthgeschlotten. Und ist in en Urkond duses Breffes meth Unsen anhangenden Insegel versegelt. und egener handt underschreuen, und gegefen to Nygenhueß am donnerstag nah S. Galli Anno 1527. Erich. Sigillum."

Dieser Meierbrief gibt wertvolle Aufschlüsse über Charakter, Rechte und Pflichten des Hofes. Fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen:
  1. Die Bemeierung des Bartoldus Nevel und seiner Frau Anneken bedeutet einen besonderen Gnadenbeweis des Bischofs. Dieser Nevel war ein Urahne der Familie Niewels. die hier im Jahre 1956 ausstarb. Nevel konnte den freien Hof als freier Bauer vererben.
  2. Zum Hofe gehörte eine freie Schaftrift in Feld, Wald, Wasser und Weide. Von der wohl ausgedehnten Schäferei führte der Hof den Namen "Scheiperhoff".
  3. Bischof Erich vermeierte den Hof in der gleichen Art, wie die Herren von Westphalen den Schäfer ihres freien Hofes zu Schwaney "gefrieget hebben", also zum freien Meier machten. "Friegen" heißt frei machen.
  4. Der Hof hatte Gerechtsame für Jagd und Fischerei.
  5. Der Bauer brauchte weder Dienste noch Bede (Geldabgabe auf Maitag und Michaeli) zu leisten, er sollte "frie sitten". Nur zur Heerfolge und Landschatzung war er verpflichtet.
  6. Die auf Michaeli fällige Erbpacht betrug jährlich 5 Gulden.
  7. Falls der Erbmeier den Hof nicht mehr selbst bewirtschaften wollte, durfte er unter Wahrung der bischöflichen Rechte Haus und Hof nach freiem Ermessen verkaufen.
  8. Was der Meier dem Hofe an Land, Wiesen oder Kämpen zubrachte, sollte den Pachtbedingungen der anderen Schwaneyer Einwohner unterliegen.

Kurz vor der Bemeierung scheint Bartoldus Nevel sein Anneken geehelicht zu haben. Aber ein Erbe blieb den beiden versagt. Um 1555 heiratete eine Tochter der Nevels einen Rehermann, mit dem die Aera der Rehermänner (Rerrnann, Rehrrnann) auf dem bischöflichen Hofe begann. Der Stammbaum des Meiers Rehermann weist nach Schmechten. Stift Heerse belehnte dort am 10. Februar 1506 einen Herman Reyherman mit einem "Meiggerhoff", der sich noch heute im Besitze der Familie befindet.

Hermann. Heinrich und Martin waren immer beliebte Vornamen sowohl in der Schmechtener wie in der Schwaneyer Linie der Rehermann, Ein Enkel des Schwaneyer Meiers, Hermann Rehermann, nahm 1612 Agnes Scheiffers, eine Tochter des Meiers auf dem Schwaneyer Hofe der Herren von Westphalen, zur Frau. Am 05.10.1650 wurde der "pannicida" (Wandschneider, Wandrnacher, Tuchhändler) Martin Reherrnann, Sohn der Eheleute Hermann Rehermann und Agnes, geb. Scheiffers, zu Schwaney, in Paderborn eingebürgert. Er heiratete am 06.11.1650 Katharina Lammers, die ihm das Haus Kisau Nr, 2 (bis 1945 Wirtschaft Roderfeld) mit in die Ehe brachte.

Um 1640 übergab Hermann Rehermann den alten bischöflichen Hof seinem Sohne Henrich, der um 1613 geboren war. Wegen der Rechtsunsicherheit und Wirrnisse in der trostlosen Zeit des Dreißigjährigen Krieges hielt es der junge Hoferbe für richtig, sich die alten Privilegien des Hofes durch den Paderborner Notar Henrich Buddenberg aufzeichnen zu lassen. Als Sprecher und glaubwürdigen Zeugen brachte er den alten Dahler Richter Conradt Scheiffers mit, der auf dem westphälischen Meierhofe zu Schwaney geboren war. Da dieser Hof die gleichen Rechte und Gerechtsame wie der "fürstliche Hof" genoß, konnte Scheiffers für Henrich Rehermann wahrheitsgetreue Angaben machen und diese mit seinem Richtereide bekräftigen.

Richter Scheiffers erklärte über den "Schwaneyischen Meierhoff" (darin liegt die Bestätigung, daß der Hof zur alten Siedlung "Suanecghe" gehörte) zu Protokoll: "daß dieser Hoff von allen Belastungen, Diensten und Beydiensten frey, zur Landfolge allein mitobligirt (verpflichtet), dessen zeitlicher Besitzer und Inhaber nicht allein zur Jagd mitbefugt, sondern auch auf den schwaneyischen Wäßern zu fischen berechtiget, maßen deßen noch in üblichen Gebrauch und Besitz befindlich. Und möge auch ferner Inhaber meines Gnädigsten Herrn (des Fürstbischofs) Hof ohne einige des Schwaneyischen Richters und Krügers Contradiction (Widerrede) nach Belieben vererben und verkaufen, welches sonsten den schwaneyischen Eingeseßenen unzuläßig und nicht gestattet werde. Wenn auch der allmächtige Gott zu Schwaney Mast (Frucht der Eichen und Buchen) bescherte, wäre meines Cnädigsten Herrn Meier denen Dorfs Satzungen nicht unterworfen, sondern seine alleinige Trogschweine ohne jemands behinderung gegen dargebung der gewöhnlichen Mastgelder auf die Mastung zu treiben berechtigt. Ingleichen gehören zu diesen Meines Gnädigsten Herrn Hof eine freye schäferey und mochten darauf so viel schafe als beliebig, ohne gewisse Zahl gehalten werden. Dabei dann diese Gerechtigkeit hergebracht, wenn der Schäfer mit den schafen der erste aufm felde vor den schweinen oder schweinehirten die Raufutterstoppein zu solcher Zeit herhüten möge und darin von schweinen oder jemands anderst nicht behindert werden könne. Auch so wäre dieser Meierhof von allen Zehntgänsen, Hühnern, Eyer, Rauchgeld (Abgabe für die Kamine) und wie diese stücke sonsten genannt und Nahmen haben, ganz und zumalen befreyet und entlediget.

Sollte auch der schwaneyische Richter Befehl überkommen, einige Civil oder Criminal Execution auf diesen Meines Gnädigsten Herrn Hof zu verrichten, er gleichwohl dieselbe ohne Mitgeheiß und Belieben der Herrn Beamten zum Dringenberg nicht verrichten könne noch solle. (Die Gerichtsbarkeit über den Hof stand ausschließlich dem Landesherrn zu.)

Zum fall auch Meines Gnädigsten Herrn Meier für den gemeinen Hirten die Kühe und Schweine den ganzen Sommer über treiben und gehen ließe, alsdann müßte er den gemeinen Hirten mit unterhalten helfen, nicht aber, wenn nur etliche Wochen und Monate sein Vieh vorgetrieben und wiederumb zurückgenommen hätte.

Die eingewilligte (von den Landständen beschlossene) und vorfallende gemeine Landschatzung aber müßte Meines Gnädigsten Herrn Meier mitzahlen und gutmachen.

Worauf ferner Dahlscher Richter öffentlich ausgesagt, daß von dieses Hofes Recht und Gerechtigkeit, darzu gehörenden stücken und pertinentien (Zubehör) er kein weiteres zu berichten wisse.

Geschehen zu Paderborn vor Notarius Henrich Buddenberg und den ehrbaren Zeugen Kort Strucks oder Pothausens genannt, Kordten Kliggen, Josep Kliggen, den 16. Mai 1640.

Nach dem Inhalt dieses Protokolls hat sich an dem Status des Hofes gegenüber 1527 nichts geändert.

Im ersten Meierbriefe von Bischof Erich führte der Hof noch den Namen "Scheiperhoff" (Schäferhof). Schon kurz nach 1600 muß dann die Änderung in "Füllenhof" erfolgt sein. Diese Neubenennung war erforderlich als Unterscheidung vom Hofe der Herren von Westphalen, der sich nach seinem damaligen Meier Scheiffers ebenfalls "Scheiperhoff" nannte. Der Name "Füllenhof" leitet sich her von Vollhof, einer Bezeichnung, die damals den Meier des Hofes nicht nur als Vollspänner mit wenigstens 4 Pferden, sondern auch als freien Mann mit vollen Rechten freier Bauern charakterisierte. Eine Schuldurkunde vom 01.04.1654, vor dem Paderborner Notar Bertoldus Fabritius zugunsten des Dechanten der Kollegiatskirche zum Busdorf ausgestellt, unterschrieb Henrich Rehermann schon eigenhändig mit dem Zusatze "Follemeyer zu Schwaney". Er lieh sich damals gegen einen jährlichen Zins von 7 Reichstalern beim Dechanten des Busdorfstiftes 30 Reichstaler. Als Sicherheit stellte er seine "Behaußung" und alle zum "Follenhofe" gehörenden Güter, ohne diese jedoch aufzuführen 5. Erst am 27. September 1708 ist diese Obligation an den Dechanten des Busdorfstiftes Theodor Hölter eingelöst worden.

Wie groß um 1650 das Grundvermögen des Füllenhofes war, läßt sich nicht ermitteln. Im Heuerregister der Kornschreiberei von 1650 finden sich die beiden Schwaneyer Meierhöfe nicht, wohl aber in der "Specificatio Schwaneyescher Eigentümliger oder pfachts Weise unterhabenden Lendereyen, Wiesen, Kempen und Garten de anno 1672".

In dieser aufschlußreichen Liste steht Heinrich Rehermann als Vüllenmeyer mit 93 Morgen Ackerland, 5 1/2 Morgen Wiesen, 17 Morgen Kämpen und einem halben Morgen Garten an erster Stelle.

Auch in einem Rezeß vom 15.12.1666 zwischen der Gemeinde und den beiden freien Meierhöfen findet sich die Unterscheidung "Vollenhoff" für den bischöflichen und "Scheiferhoff" für den Hof der Herren von Westphalen. Aus "Vollenhoff" wurde bald "Vüllenhoff" (Füllenhoff), mundartlich "Fühlenhuof", aus dem"Vollrneier" wurde der "Vüllenmeier" (Füllenmeier), platt "Füllmegger". So heißen Hof und Besitzer auch heute noch.

Geld und Söhne waren oft rar auf Schwaneyer Höfen. Auch dem Füllmeier Henrich Rehermann (gest. um 1677) fehlte oft Geld, aber mehr noch der Sohn und Erbe. Daher übernahm ein Cordt Scheiffers von Schäferhofe um 1680 durch Heirat einer Tochter der Eheleute Rehermann den Hof. Aber auch hier starb der Hoferbe. und die Tochter Anna Eva Scheiffers, geb. um 1695, heiratete am 15. April 1716 einen Christoffel Heinemann.

Christoffel Heinemann wurde nicht alt. Aber kurz vor seinem Tode erlebte er noch die Geburt des Haferben Johannes Conrad, der am 27.08.1732 die hl. Taufe empfing. Seine Mutter Anna Eva, geb. Scheiffers, verehelichte sich am 22.01.1735 zum 2. Male, und zwar mit Christian Block aus Herbram (geb. 05.05.1695, gest. 06.11.1768). Dieser Ehe entstammte eine Tochter Catharina Elisabeth Block (geb. 20.02.1739). Aber den Hof übernahm der Sohn aus erster Ehe Johannes Conrad. Er heiratete am 01.05.1759 Elisabeth Böhmer, wahrscheinlich aus Neuenbeken. Sie war um 1738 geboren und starb am 30.05.1791. Einen Sohn Joseph der beiden Eheleute, geboren 06.03.1764, fand man am 23.05.1788 unter einer Eiche in "Kettelsböhmen" auf dem Henge tot auf. Ein zweiter Sohn, Johannes Conradus, wurde im Alter von 33 Jahren am 03.08.1805 bei Elsen vom Blitze erschlagen und dort beerdigt.

Johannes Conrad Heinemann und Elisabeth Böhmer erbauten im Jahre 1766 den heutigen Füllenhot ein langgestrecktes typisches westfälisches Vierständerhaus mit riesiger Deele und reich beschrifteter Einfahrt. Wärme und Geborgenheit atmet dieser behäbige Fachwerkbau. gezimmert aus wuchtigem Eichengebälk, das in mühsamer Handarbeit mit der damals üblichen Zugsäge geschnitten wurde. Der schwere Torsturz trägt die Inschrift: "AUF GOTT TUE ICH HOFFEN. KOM MIR DAS GLÜCK SO HABE ICH TROFFEN, KOMT MIR ABER DAS WIEDER SPIEL, GESCHE WIE GOTT HABEN WILL. JOANNES CONRADUS HEINEMANN ELISABETH BÖHMER ALS ELEUTE DIESES HAUS AUFERBAUEN LASSEN ANNO 1766 DEN 21. JULIUS."

Verkohlte Eichenholzreste. die vor etlichen Jahren bei einem Sockeldurchbruch zum Vorscheine kamen, deuteten darauf hin, daß der alte Hof einem Brande zum Opfer fiel, aber auf den gleichen starken Fundamenten in gleicher Größe neu errichtet wurde. Der Erbauer des Hauses starb am 05.05.1798. Den Hof übernahm sein Sohn Anton (geb. 13.06.1768). Am 23.11.1792 hatte sich Anton Heinemann verheiratet mit Katharina Rustemeyer (geb. 04.07.1770, gest. 26.09.1847), einer Tochter des Schäfers und Ackerwirts Conrad Rustemeyer und Katharina Elisabeth, geb. Maß.

Dieser Anton Heinemann gibt uns endlich wieder nähere Kunde über Besitzverhältnisse, Verpflichtungen und Gerechtsame des Hofes. Anläßlich eines Termins am 18.03.1806 erklärte er zu Protokoll, daß er vor 8 Jahren Besitzer des Meierhofes geworden sei und dafür als Weinkauf 7 Reichstaler an das Rentregister zu Dringenberg entrichtet habe. Einen Meierbrief habe er bei der Übernahme des Hofes ebensowenig wie sein Vater erhalten. Laut vorgelegtem Quittungsbuche gehörten damals zum Hofe 95 3/4 Morgen Ackerland, für das er ein ums andere Jahr an die Kornschreiberei in Neuhaus und auf den Kornboden des Grafen von Westphalen zu Herbram 11 Scheffel, 3 Spint, 3 1/2 Becher Roggen, 11 Scheffel, 3 Spint, 3 1/2 Becher Gerste und 35 Scheffel, 3 Spint und 3 1/2 Becher Hafer als Heuer entrichten müsse. Für einen Kamp von ca. 20 Morgen in der Dune und Liet gab der Füllmeier außerdem jährlich 6 Scheffel Gerste und 6 Scheffel Hafer. Überdies schulde er für 14 Morgen Wiesen und für die Schaftrift pro Jahr 7 Reichstaler an das Rentregister zu Dringenberg. Demnach umfaßte das Areal des Hofes um 1800 rund 130 Morgen.

Bischof Erich hatte 1527 einen freien Hof mit freier Schäferei, mit Jagd- und Fischereiberechtigung gegen eine jährliche Prästation von 5 Gulden vermeiert. Von dem alten Status ist nichts mehr geblieben. Der Füllmeier lieferte damals schon wie jeder andere Bauer und Kötter im Dorfe Heuer, und das nicht nur an den eigentlichen Grundherrn des Hofes, den Fürstbischof, sondern auch in jährlichem Wechsel an den Grafen von Westphalen zu Herbram. Auch für Wiesen, Kämpe und Schaftrift hatte er jetzt eine Abgabe in Frucht oder Geld zu leisten.

Am 29. Februar 1836 verunglückte der Füllmeier Anton (Johann Bernhard Franz) Heinemann tödlich durch Sturz im Schafstalle. Bereits 1828 hatte sein Sohn Anton (geb. 09.12.1797) den Hof übernommen und sich im gleichen Jahre (19.10.1828) mit Anno. Maria Kröger aus Hampenhausen, Kr. Warburg, (geb. 18.12.1809, gest. 08.06.1875) verheiratet. Er bewirtschaftete 110 Morgen Ackerland und 51/2 Morgen Gärten. Das frühere Ausmaß der Wiesen von etwa 23 Morgen war zugunsten des Pfluges auf 8 Morgen zusammengeschrumpft. Das besondere Interesse des jungen Füllmeiers galt damals der Mehrung des Landbesitzes. Aber damit wuchs auch die Belastung des Hofes, die nicht selten finanzielle Schwierigkeiten bedingte. Damals herrschte viel Armut unter der Landbevölkerung. Mehrere Bauernhöfe im Dorfe verfielen der Zwangsversteigerung. Der Füllmeier kaufte.

Während sich der Landbesitz des Hofes nach dem Schwaneyer "Lagerbuch" von 1829 noch in 34 Einzelpläne aufgliederte, waren es um 1837 bereits 77, 1868 schon 88 und vor Beginn der Separation (1880) rund 100 Einzelstücke, die wegen der weiten Wege und der hängigen Lage der Gemarkung kaum noch eine sachgemäße Bewirtschaftung gewährleisteten.

Wie sein Vater kam auch Anton Heinemann auf tragische Weise ums Leben. Als er kurz nach der Schafschur am 02.07.1849 ein Fuder Wolle nach Paderborn bringen wollte, scheuten auf der abschüssigen Straße im "Goldgrund" die Pferde und rasten mit dem Fuhrwerke durch den Graben. Heinemann stürzte vom hochbeladenen Wagen und verstarb noch am gleichen Tage an den erlittenen schweren Verletzungen im 52. Lebensjahre. Nach dem Tode ihres Mannes behielt die resolute Witwe Anna Maria, geb. Kröger, noch 8 Jahre das Heft fest in der Hand. Erst am 15. Januar 1857 übertrug sie ihrem Sohne Konrad (geb. 18.04.1830) das Vermögen. Im übertragsvertrage behielt sie sich vor:
Das Bett nebst Bettstelle, worin sie schlaft, einen Kleiderschrank, einen Koffer, sämtliches Leinen und alle Kleidungsstücke, die sie in Benutzung hat.
Als Leibzucht beansprucht sie von ihrem Sohne:
1. Jährlich 18 Scheffel Roggen, 9 Scheffel Gerste, 3 Scheffel Weizen, 112 Scheffel Linsen, 100 Pfund Salz, 12 Maß Oel (1 Maß entsprach 4 Ort).
2. In den Sommermonaten monatlich 40 Eier, in den Wintermonaten 20 Stück.
3. Monatlich 3 Taler Spielgeld (Taschengeld).
4. Jährlich 24 Scheffel Kartoffeln.
5· Eine unsterbliche (immer wieder zu ersetzende) Kuh nach Wahl bei freiem Futter; wenn sie güste, täglich ein Maß Milch.
6. Jährlich 1 Schwein, zum mindesten 200 Pfund schwer, das die Woche vor Weihnachten geliefert werden muß. Ferner 1 mageres Schwein, die Woche vor Ostern zu liefern, welches 1/4 Jahr alt sein muß.
7. Drei fette Schafe, lieferbar Michaeli jeden Jahres.
8. Zur ausschließlichen Benutzung behält sich die Witwe Heinemann die Schlafkammer über der Wohnstube (am wärmsten!) und die Bühne (Kornraum) über der kleinen Stube, ferner die nötige Stallung für ihr Vieh vor.
9. Mitgebrauch sämtlichen Geräts in der Küche.
10. Freies Brennholz.
11. Die nötige Aufwartung durch eine Magd.
12. Jährlich 2 Stück Leinen von Mittelsorte nach Wahl und 8 Pfund Wolle.
13. Den 4. Teil des Hausgartens und 1/4 Morgen im Kohlgarten, frei gedüngt und bestellt.
14. Den nötigen Raum im Keller zur Lagerung der Vorräte.
15. Übernimmt der Konrad Heinemann, seiner Mutter auf Verlangen stets eine Fuhr zur Reise oder für anderen Gebrauch zu stellen.

Das war um 1857 die anspruchsvolle Forderung einer Meierswitwe, die aufs Altenteil ging. Stellen wir daneben den fast zeitgleichen Anspruch eines Schwaneyer Kötters, der ebenfalls "Verschreibung" hielt.
Hier der Wortlaut:
1. Standesmesige Kleidung.
2. Standes Mesiges Essen und Trinken.
3. Alle acht Tage 50 Pfennige Spielgeld.
4. Das Recht im Hause zu Gehen und zu Sitzen, wo ich will.
5. Die Kammer als Schlafkammer die auf Sonnen halb eins steht (Südseite).
6. Die Tochter bekommt fünfzig Tahler, einen Eschen Tisch, eine Bettstelle mit Bett, Her Eschen Stühle, einen Kleiderschrank, einen Haspel und Spinrad. einen Eichen Koffer mit Eisenbeschlag und was drin ist.
7. Bei gesunden und kranken Tage die Pflege.
8. Ein Ortsübliches Begrebniß.
9. Ein Seehlenamt, ein Dreißigtäiges Seelenamt und Jahres Gebeth.

Zwei dörfliche Menschen, zwei artverwandte Bilder und doch zwei grundverschiedene Welten!

Konrad Heinemann war ein Bauer von altem Schrot und Korn. In zäher, unermüdlicher Arbeit verstand er nicht nur, die auf dem Erbe ruhenden Schulden zu mindern, sondern auch den Landbesitz wesentlich zu mehren. Zunächst suchte er die harten Fesseln jüdischer Geldgeber zu sprengen, bei denen Vater und Großvater immer wieder in finanzieller Ausweglosigkeit Zuflucht und Hilfe gesucht hatten. Eine tüchtige und intelligente Frau und Wirtschafterin hatte sich der Füllmeier bereits am 15.11.1853 in Katharina Lücking (geb.1826, gest.15.10.1896) Tochter der Eheleute Anton Lücking und Anna Maria Katharina, geb. Hüveler (geb. 29.03.1801. zu Dahl), aus Sandebeck auf den Hof geholt.

Diese beiden Eheleute erneuerten auch den riesigen alten Schafstall, der 25 m Länge und 1.4 m Breite aufweist. In den Torsturz eingegraben ist die Inschrift: "Glück, Heil und Segen den gegenwärtigen und zukünftigen Bewohnern dieses Gutes. Erbaut den 26. Juni 1.873 von Conrad Heinemann und Katharina Lücking."

Unter Konrad Heinemann wuchs der Hof auf über 350 Morgen an. Diese enorme Aufstockung des früheren Volumens erfolgte durch günstige Zukäufe und nicht zuletzt durch umfangreichen Landgewinn. der dem Hofe als Abfindung alten Huderechtes vom Forstfiskus und der Gemeinde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zugesprochen wurde. Die 1888 abgeschlossenen Maßnahmen der Separation und Verkoppelung brachten dem Hofe gegenüber 100 Einzelplänen vorher nunmehr kaum ein halbes Dutzend Flurstücke, deren größter Teil sogar über 300 Morgen arrondierter Fläche umfaßt und daher auch mit eigener Jagdberechtigung verbunden ist.

Neben seiner beruflichen Arbeit leitete Konrad Heinemann von 1882 bis 1906 als Vorsteher die Geschicke des Dorfes. An Länge der Amtszeit hat ihn kein Vorgänger erreicht. Sein Vater brachte es als Vorsteher auf 4 Jahre (1836-1840), sein Großvater nur auf 2 Jahre (1815-1817). In die lange Amtszeit des Vorstehers Konrad Heinemann fielen der verheerende Brand von 1895, aber auch der mutige Wiederaufbau, die Errichtung des neuen Gotteshauses, der Bau der Mädchenschule 1898, Separation und Verkoppelung (1880-1888), die Dorfregulierung und die ersten Maßnahmen für Schaffung und Ausbau eines umfangreichen Netzes von Wirtschaftswegen in der bereinigten Feldflur.

Konrad Heinemann starb am 13.01.1915 nach einem Leben voller Mühe und Arbeit für Hof und Gemeinde im gesegneten Alter von 85 Jahren. Ihm folgte als Hofbesitzer der Sohn Anton, geb. 30.10.1854, verh. 11.08.1902 mit Wilhelmine Glunz (geb. 19.06.1867, gest. 30.12.1920). Der 1903 geborene Hoferbe Konrad starb als Kind, der 2. Sohn Anton (geb. 30.07.1905) folgte ihm, kaum 20jährig, am 09.09.1924 im Tode nach. Der 3. Sohn Johannes (geb. 08.10.1907) erlag am 02.08.1938 einer Blinddarmentzündung, und der 4. Sohn Josef (geb. 27.03.1909) fiel am 17.08.1944 für Heimat und Vaterland in Italien. Er hatte sich 1940 mit Anna Drewes (geb. zu Schwaney am 04.12.1919) verheiratet. Zwei Mädchen entstammen dieser Ehe, die am 08.09.1940 geborene Maria und Katharina (geb. 23.07.1943).

Nach dem Tode des 1928 verstorbenen Anton Heinemann war der Hof an dessen Bruder Konrad (geb. 25. 2. 1864) übergegangen, der als "Füllmeggers UnkeI" weithin geschätzt wurde und unter diesem Namen auch in der Dorfgeschichte weiterleben wird. Er starb unverheiratet am 17.06.1945. Die einzige Tochter seines Bruders und Vorbesitzers Anton Heinemann, die ebenfalls ledig gebliebene Katharina (geb. 09.07.1904) übernahm dann unter Assistenz ihres Vetters Alfons Lüke die Bewirtschaftung des großen Hofes. Mit ihr wird der Name Heinemann nach zweieinhalb Jahrhunderten auf dem Füllenhofe wohl aussterben.

Der erste Schwaneyer Heinemann ist um 1625 bezeugt. Sein Sohn Johannes Henrich hatte eine Rehermann geheiratet.

Anfang des Jahres 1666 beschwerte sich ein Hermann Heinemann zu Schwaney beim Oberamte Dringenberg, daß er 7 Reichstaler Weinkauf geben solle, obwohl er nur 3 Morgen Land von seines Vaters Gütern unterhabe. In Beantwortung dieser Beschwerde wies Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg den Dringenberger Rentmeister unter dem 17.04.1666 an, "von den Jenigen, so von selbigen Güthern participiren (Anteil haben), ebenfallß die Gemeine Last und schultige onera (Abgaben) abtragen zu lassen" 10. Aus diesem Schriftwechsel ergibt sich, daß ein Heinemann um die Mitte des 17. Jahrhunderts schon über größeren Gutsbesitz in Schwaney verfügte.

Zweifellos ist der Füllenhof, von heimatgeschichtlicher Warte gesehen, ein Methusalem unter den Höfen des Dorfes. Seine Tradition mag ein volles Jahrtausend umspannen, vielleicht sogar mehr. Zahllose Stürme brausten über ihn hinweg. Lange Notzeiten bedingten hartes Ringen um die nackte Substanz. Aber er behauptete sich im wechselvollen Auf und Ab der Jahrhunderte. Uralte Eichen, die ihn dicht umrauschten, sind erst in den letzten Jahrzehnten gefallen. Ausgedient haben auch die beiden alten und tiefen Brunnen des am Hange gelegenen Hofes. Aber heute wie damals gruppieren sich noch um das langgestreckte Fachwerkgebäude ein "Beihaus" (Bäihius) mit der Inschrift: "Anton Heinemann und Anna Maria Kröger 6. Mai 1843"11, ein riesiger Schafstall, ein Backhaus und schließlich ein Wagenschuppen. Das Immenhaus verfiel erst vor wenigen Jahren dem Abbruch. Das Stallgebäude ist nach dem letzten Kriege erneuert, über den merkwürdigen, frühmittelalterlichen Schutzkeller des Hofes hören wir noch im Rahmen der Stadtbefestigung. Auch auf anderen Stationen durch die Geschichte des Dorfes wird uns der Hof noch oftmals begegnen.







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